Die Diskussion um eine mögliche Streichung des Pflegegrads 1 hat in den vergangenen Wochen deutlich an Fahrt gewonnen. Hintergrund sind die angespannten Finanzperspektiven der sozialen Pflegeversicherung, steigende Ausgaben in fast allen Leistungsbereichen und politischer Druck, kurzfristig Konsolidierungseffekte zu erzielen.
Pflegegrad 1 umfasst Menschen mit „geringer Beeinträchtigung der Selbstständigkeit“. Im Unterschied zu höheren Pflegegraden stehen hier vorrangig niedrigschwellige Unterstützungsangebote im Vordergrund, etwa der Entlastungsbetrag, Beratungs- und Schulungsangebote sowie Zuschüsse für alltagsunterstützende Hilfen und bestimmte wohnumfeldverbessernde Maßnahmen.
Im politischen Raum wird nun erwogen, Pflegegrad 1 entweder vollständig zu streichen oder in seiner aktuellen Form grundlegend umzubauen. Befürworter eines solchen Schritts argumentieren mit Effizienzgewinnen und Priorisierung: Angesichts knapper Mittel sollten Leistungen dort konzentriert werden, wo die Bedarfe am größten sind.
Kritiker warnen hingegen vor einer problematischen Versorgungslücke. Pflegegrad 1 erfüllt in vielen Familien eine Art Frühwarn- und Stabilisierungssfunktion. Niedrigschwellige Hilfe, die rechtzeitig greift, kann Überlastungen in der häuslichen Pflege verhindern. Wird an dieser Stelle gekürzt oder gestrichen, drohen Folgekosten – sowohl finanziell als auch sozial.
Ein weiterer Streitpunkt betrifft die Gerechtigkeits- und Vertrauensfrage. Für Betroffene, die bereits Ansprüche geltend machen, stehen Rechts- und Planungssicherheit im Mittelpunkt: Welche Übergangsfristen gäbe es? Gilt Bestandsschutz? Ohne klare Antworten droht Verunsicherung.
In der Debatte werden mehrere Alternativmodelle diskutiert. Denkbar ist eine Umwidmung von Pflegegrad 1 auf Prävention, digitale Assistenzsysteme, Wohnraumanpassung und pflegerische Beratung. Auch Karenzzeiten im ersten Bezugsjahr oder strengere Begutachtungskriterien werden diskutiert.
Klar ist: Jede Reform muss den realen Pflegealltag in den Familien im Blick behalten – und darf nicht allein aus der Perspektive kurzfristiger Budgeteffekte gedacht werden.