Worum geht es? In Deutschland wird über ein Pflegekompetenzgesetz diskutiert, das pflegerische Aufgaben erweitern, Verantwortlichkeiten klarer definieren und die Profession stärken soll. Ziel ist, Pflegefachpersonen mehr Entscheidungsspielräume zu geben, Behandlungsprozesse zu beschleunigen und die Attraktivität des Berufs zu erhöhen. Gleichzeitig melden sich Träger- und Arbeitgebervertretungen zu Wort und warnen: Ohne verlässliche Finanzierung, klare Zuständigkeiten und realistische Übergangsfristen drohe das Gesetz zur Investitionsbremse zu werden.
Die Befürworterperspektive: Mehr Kompetenz in der Pflege bedeutet schnellere, patientennahe Entscheidungen, weniger ärztliche Flaschenhälse und bessere Versorgungsqualität. Pflege kann eigenständig Assessments durchführen, standardisierte Behandlungsprozesse anstoßen, Wundmanagement oder Medikationsanpassungen in eng definierten Schemata verantworten. In ländlichen Räumen könnte das Versorgungswege verkürzen. Aufwertung, Sichtbarkeit und Karrierestufen sollen den Beruf attraktiver machen und dem Fachkräftemangel entgegenwirken.
Die Skepsis der Arbeitgeber: Neue Kompetenzen brauchen Fort- und Weiterbildung, Supervision, digitale Systeme, Dokumentationsanpassungen, Haftungsklarheit und Vergütungslogik. All dies kostet. Ohne refinanzierte Personal- und Sachinvestitionen droht ein Investitionsstau: Einrichtungen müssten umschichten oder Leistungen kürzen, um die Umstellung zu stemmen. Außerdem warnen Träger vor Doppellasten in der Übergangsphase, wenn alte und neue Prozesse parallel laufen. Damit drohen temporäre Ineffizienzen und Planungsunsicherheit.
Was wäre nötig, damit das Gesetz wirkt? Erstens klare Kompetenzprofile mit rechtssicheren Abgrenzungen zu ärztlichen Aufgaben. Zweitens verbindliche Curricula für Qualifizierungen, die bundeseinheitlich anerkannt werden. Drittens Refinanzierung von Fortbildung, zusätzlichem Personal, Supervision und IT. Viertens Haftungs- und Versicherungsregime, das Verantwortung abbildet und Einrichtungen wie Fachkräfte schützt. Fünftens digitale Infrastruktur mit interoperabler Dokumentation, damit neue Aufgaben nicht im Papier enden.
Praxisblick Deutschland: In Krankenhäusern, Reha- und Langzeitpflegeeinrichtungen unterscheiden sich Prozesse, Tariflogiken und IT-Reifegrade stark. Ein Pflegekompetenzgesetz muss daher sektorenübergreifend gedacht werden. Sonst entstehen Reibungsverluste an Schnittstellen, etwa beim Übergang Krankenhaus–Pflegeheim. Ebenso wichtig ist die Rolle der Länder: Ohne Investitionsbeteiligung bei Gebäuden, Technik und Bildung kann ein Bundesgesetz vor Ort ins Leere laufen.
Einordnung: Das Pflegekompetenzgesetz ist eine Chance, die Pflege aufzuwerten und Versorgungswege zu modernisieren. Es kann jedoch nur gelingen, wenn Investitionen, Haftung, Vergütung und IT mitgedacht werden. Wer mehr Verantwortung will, muss Mittel, Zeit und klare Regeln liefern. Andernfalls entsteht genau das, wovor Arbeitgeber warnen: eine Investitionsbremse, die motivierte Teams ausbremst, statt sie zu beflügeln.