Thüringen: Mehr Pflegebedürftige auf Sozialhilfe – warum steigende Eigenanteile die Lage zuspitzen

17.10.2025 · Redaktion Pflegeverband

Ausgangslage: In Thüringen ist die Zahl der pflegebedürftigen Menschen, die ergänzend Sozialhilfe beziehen, spürbar gestiegen. Besonders betroffen sind Bewohnerinnen und Bewohner stationärer Einrichtungen. Der Anstieg verweist auf ein strukturelles Problem: Selbst bei angehobenen Leistungen der Pflegeversicherung reichen die verfügbaren Mittel vieler Haushalte nicht aus, um wachsende Eigenanteile im Heim zu stemmen.

Kostentreiber und Systemlogik: Pflege ist personalintensiv. Tarifsteigerungen, Qualifizierungsanforderungen und notwendige Investitionen in Gebäude, Brandschutz und Digitalisierung erhöhen die Ausgaben der Einrichtungen. Gleichzeitig handelt es sich bei der Pflegeversicherung um keine Vollversicherung. Neben den pflegebedingten Aufwendungen fallen Unterkunft, Verpflegung und investive Kosten weitgehend als Eigenanteile an. Steigen diese Posten, werden Haushalte mit geringer Rente oder ohne nennenswertes Vermögen schnell überfordert.

Besonderheiten im Land: Thüringen ist geprägt von ländlichen Räumen, längeren Wegen in der ambulanten Versorgung und einem heterogenen Bestand an Trägern. Wo die Versorgungsdichte dünn ist, fehlen Preis- und Angebotsalternativen. Familien weichen dann häufig auf den stationären Sektor aus, obwohl ambulante Unterstützung gewünscht wäre. Wenn stationäre Plätze jedoch teurer werden, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Sozialhilfe notwendig wird.

Kommunale Perspektive: Für Landkreise und Städte bedeutet der Anstieg zusätzliche Budgetbelastungen. Gleichzeitig wächst der Beratungs- und Koordinationsbedarf, etwa bei der Klärung von Ansprüchen, beim Übergang aus dem Krankenhaus, bei Wohngeld- und Härtefallregelungen oder beim Wechsel zwischen Versorgungsformen. Kommunen reagieren mit Beratungsnetzwerken, Pflegekonsultationen und dem gezielten Ausbau niedrigschwelliger Angebote, um stationäre Eskalationen nach Möglichkeit zu vermeiden.

Handlungsoptionen für Familien: Sinnvoll ist eine frühzeitige, strukturierte Beratung. Dazu zählen transparente Kostenübersichten, Prüfung von Zusatzleistungen, der Abgleich mit potenziellen Unterstützungsleistungen sowie die Planung von Zwischenstufen wie Tages- oder Kurzzeitpflege. Auch Wohnraumanpassungen und technische Assistenz können helfen, einen Heimeinzug hinauszuzögern. Wichtig ist die Dokumentation des konkreten Nutzens solcher Maßnahmen, um Ansprüche nachvollziehbar zu machen.

Ausblick: Kurzfristig werden Übergangs- und Entlastungsinstrumente gefragt sein, mittelfristig entscheidet die Finanzarchitektur: verbindlichere Investitionsbeteiligung der Länder, wirksame Prävention und eine umsetzbare Begrenzung der Eigenanteile. Thüringen steht damit stellvertretend für viele Regionen in Deutschland, in denen sich Demografie, Preisentwicklung und Teilversicherung zu einem spürbaren Finanzdruck für Pflegebedürftige verdichten.

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