Pflegegrade verstehen: Begutachtung, Module, Punkte und Leistungen

20.09.2025 · Redaktion Pflegeverband

Pflegegrade verstehen: System, Begutachtung, Punkte und Leistungen

Dieser Ratgeber erklärt das Verfahren zur Einstufung in Pflegegrade, die sechs Module mit Gewichtung, die Punkteschwellen von Pflegegrad 1 bis 5 sowie sinnvolle Schritte vor und nach der Begutachtung. Ziel ist, dass Sie die Logik nachvollziehen und Entscheidungen gut vorbereiten.

Was sind Pflegegrade

Pflegegrade bilden die Schwere der Beeinträchtigung der Selbstständigkeit ab. Grundlage ist eine Begutachtung nach dem Neuen Begutachtungsassessment. Bewertet wird, wie selbstständig eine Person Alltagsaktivitäten bewältigen kann. Aus einzelnen Kriterien in sechs Modulen ergeben sich Punkte, die mit festen Gewichten zu einem Gesamtwert zusammengeführt werden. Dieser Gesamtwert entscheidet über den Pflegegrad.

Die sechs Module mit Gewichtung

Die Module enthalten Fragen und Beobachtungen zu Alltag und Gesundheit. Wichtig: Aus Modul 2 und Modul 3 geht nur der jeweils höhere Wert in die Gesamtbewertung ein, nicht beide addiert. So sieht die Gewichtung aus:

Modul Inhalt Gewichtung
1 Mobilität 10 %
2 Kognitive und kommunikative Fähigkeiten 15 %*
3 Verhaltensweisen und psychische Problemlagen 15 %*
4 Selbstversorgung 40 %
5 Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen 20 %
6 Alltagsgestaltung und soziale Kontakte 15 %

* Aus Modul 2 und Modul 3 geht nur der jeweils höhere Wert mit 15 % in die Gesamtbewertung ein.

Punkteschwellen der Pflegegrade

Der Gesamtwert liegt zwischen 0 und 100. Die Pflegegrade beginnen bei 12,5 Punkten. Diese Schwellen gelten:

Gesamtpunkte Pflegegrad Beschreibung
unter 12,5Kein PflegegradAnspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt
12,5 bis unter 27,0Pflegegrad 1Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
27,0 bis unter 47,5Pflegegrad 2Erhebliche Beeinträchtigung
47,5 bis unter 70,0Pflegegrad 3Schwere Beeinträchtigung
70,0 bis unter 90,0Pflegegrad 4Schwerste Beeinträchtigung
90,0 bis 100Pflegegrad 5Schwerste Beeinträchtigung mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung

Ablauf der Begutachtung

  1. Antrag bei der Pflegekasse stellen. Eine formlose Mitteilung reicht meist, im Anschluss erhalten Sie Unterlagen und Hinweise.
  2. Termin für den Hausbesuch oder ein Gespräch in der Einrichtung. Informieren Sie Bezugspersonen, damit wichtige Alltagssituationen gezeigt und erläutert werden können.
  3. Erhebung der Module. Die Fachperson prüft Fähigkeiten, Risiken und Unterstützungsbedarf und dokumentiert Beobachtungen.
  4. Bewertung der Kriterien und Berechnung der Punkte mit Gewichtung.
  5. Bescheid der Pflegekasse mit Pflegegrad, Rechtsbehelfsbelehrung und Leistungsüberblick.

Unterlagen und Vorbereitung

  • Medizinische Unterlagen und aktuelle Arztbriefe, Medikamentenplan
  • Hilfsmittelliste und Verordnungen
  • Pflegetagebuch mit konkreten Beispielen zu Tag und Nacht
  • Kontakt zu Pflegedienst, Betreuungsangeboten und Beratungsstelle
Praxis Tipp: Beschreiben Sie typische Tage, nicht nur gute Momente. Erklären Sie, welche Folgen Ausfälle bei Unterstützung hätten. Notieren Sie unfallkritische Situationen, Orientierung, Motivation, Strukturierung und nächtliche Ereignisse.

Typische Fehler vermeiden

  • Nur Ressourcen betonen und Einschränkungen unter den Tisch fallen lassen
  • Keine Nachweise für krankheitsbedingte Anforderungen bereitlegen
  • Modul 2 und 3 verwechseln und beide addieren wollen
  • Widerspruch ohne Begründung einreichen statt strukturiert anhand der Module

Von Punkten zu Leistungen

Mit dem Pflegegrad ergeben sich Leistungsansprüche, unter anderem Geldleistungen zur häuslichen Pflege, Sachleistungen durch ambulante Dienste, Entlastungsleistungen, Pflegehilfsmittel sowie Budgets für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege. Die konkrete Nutzung sollte zum Bedarf und zur familiären Situation passen. Prüfen Sie Kombinationen und Beratungspflichten, falls überwiegend Geldleistungen beansprucht werden.

Beispielhafte Einordnung

Konstellation Typische Merkmale Mögliche Punkte Tendenz
Demenz mit starkem Orientierungsverlust Hohe Einschränkungen in kognitiver Orientierung, deutliche Probleme in Alltagsstruktur, Nachtaktivität Hoher Wert in Modul 2 oder 3, relevante Punkte in Modul 6
Körperliche Pflege mit umfangreicher Hilfe Hilfe bei Körperpflege, An und Auskleiden, Essen und Trinken Hohe Punkte in Modul 4, zusätzlich Modul 5 je nach Therapiebedarf
Multimorbid mit Therapien Regelmäßige Medikamentengabe, Wundversorgung, Injektionen, Katheter Relevante Punkte in Modul 5, ergänzend Mobilität und Selbstversorgung

Widerspruch gut aufbauen

  1. Frist aus dem Bescheid notieren und schriftlich Widerspruch ankündigen
  2. Begründung strukturiert nach Modulen verfassen, konkrete Beispiele aus Alltag und Nacht ergänzen
  3. Aktuelle Arztunterlagen und neue Ereignisse beilegen
  4. Erneute Begutachtung oder Akteneinsicht anregen

Checkliste

  • Antrag gestellt und Termin bestätigt
  • Pflegetagebuch, Medikamentenplan, Arztunterlagen bereitgelegt
  • Hilfsmittel dokumentiert, Versorgungsrisiken notiert
  • Unterstützer für Begutachtung organisiert
  • Nach dem Bescheid Leistungsnutzung planen und Fristen prüfen

Hinweis: Diese Darstellung ersetzt keine Rechtsberatung. Maßgeblich sind die gesetzlichen Grundlagen der Pflegeversicherung und der konkrete Bescheid der Kasse.

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